Schwarzes Bilsenkraut, Hyoscyamus niger
Nachtschattengewächse, Juni - Oktober, 30 - 60 cm
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Vorkommen  Schuttplätze, Ödflächen; liebt Sonne und stickstoffreiche Böden
Wirkstoffe  Alkaloide: Hyoscyamin und Scopolamin in Blüten, Kraut und Samen
Merkmale  Wurzel spindelförmig; Stängel klebrig; Blätter länglich eiförmig, gezähnt; Blüte trichterförmig, fünflappig; Frucht bauchige Deckelkapsel, Samen graubraun mit Gruben, etwa 1mm groß

Botanik
Die ein- oder zweijährige Pflanze hat fünflappige Blüten, die wechselseitig in dichten Rispen stehen. Die gelblichen Blüten sind von violetten Adern durchzogen und an der Basis purpurn gefärbt. In jeder Frucht, einer etwa 15 Millimeter langen Deckelkapsel, finden sich bis zu 200 Samen. Die ganze Pflanze strömt einen übel riechenden Geruch aus.

Geschichte
Vermutlich wurde das Bilsenkraut bereits in der Steinzeit angebaut und rituell benutzt. Auch der römische gelehrte Plinius erwähnt das Bilsenkraut. Die Germanen verwendeten die Bezeichnung "belinuntia" (Kraut des Sonnengottes Bel). Sie vergifteten ihre Wurfspieße mit einem Extrakt des Bilsenkrautes. Die keltischen Druiden inhalierten den Rauch, um Trancezustände zu erreichen. In den mittelalterlichen angelsächsischen Arzneibüchern werden heilende Eigenschaften der Pflanze beschrieben. Im 14. Jahrhundert benutzte man ein Räucherwerk zur Narkose. Im späten Mittelalter streute man in den Badehäusern Bilsenkrautsamen auf glühende Kohlen. Der dabei entstehende Rauch hatte eine starke aphrodisierende Wirkung. Das Bilsenkraut wurde aber auch verteufelt und den Hexen zugeordnet. Bei einem Hexenprozess wurde der angeklagten "Hexe" vorgeworfen, einem Mann Bilsenkrautsamen gegeben zu haben, damit er liebestoll wurde. Bis ins 15. Jahrhundert verwendete man das Bilsenkraut als Bierwürze. Mit dem deutschen Reinheitsgebot von 1516 wurde dieser Einsatz verboten. In Zypern, Marokko und Ägypten ist der ursprüngliche Gebrauch des Bilsenkrauts bis heute erhalten geblieben. Vermischt mit Spanischen Fliegen wird es bei Erkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane, als Rauschmittel oder als Schmerzmittel eingesetzt.

Wirkstoffe
Das getrocknete Kraut wird zerkleinert und kann als Räucherwerk, als Bier- oder Weinwürze oder in einem Teeaufguss verwendet werden. Die Einnahme von solchen Auszügen ist gefährlich, da die Wirkstoffe in höherer Dosierung auch tödlich wirken können. Die Samen werden in Räuchermischungen eingesetzt. Durch das Kochen der Blätter in Öl erhält man das Oleum Hyoscyamin infusum, das zur therapeutischen oder erotischen Massage eingesetzt wird. Dieses Bilsenkrautöl ist in Drogerien und Apotheken frei verkäuflich. Das Kraut ist dagegen verschreibungspflichtig. Es darf auch nicht im Freien abgeerntet werden, da die Pflanze gesetzlich geschützt ist.

Die Alkaloide befinden sich in den Blüten, aber auch im ganzen Kraut und in den Samen. Beim Trocknen entsteht aus dem Hyoscyamin das Alkaloid Atropin. Neben weiteren Alkaloiden kommen noch Flavonoide wie Rutin und Cumarinderivate vor. Die Wirkstoffe regen das zentrale Nervensystem an und dämpfen gleichzeitig das periphere Nervensystem. In Europa wurde das Bilsenkraut seit der Antike als Mittel gegen Schmerzzustände und Krämpfe eingesetzt. Hildegard von Bingen empfiehlt es als Gegenmittel bei alkoholischem Rausch. Die Homöopathie verwendet es als Arzneimittel bei Unruhe und Erregungszuständen, sowie bei Schlaf- und Verdauungsstörungen. Eine homöopathische Tinktur enthält höchstens 0,01% an Alkaloiden. In Asien ist das Rauchen von Bilsenkrautrauch bei Zahnschmerzen, Asthma oder zur Behandlung von Nervenkrankheiten weit verbreitet.

Gegenmaßnahmen
Es ist sofort eine Giftzentrale anzurufen. Die entsprechende und je nach Land gültige Giftnotrufnummer sollte immer beim Telefon bereitliegen. Ist diese nicht sofort vorhanden, kann man auch einen Arzt oder eine andere Notfallnummer anrufen. Allgemein sind betroffene Personen hinzulegen und warm abzudecken. Wichtig ist, dass sie sich ruhig verhalten und sich nicht unnötig bewegen. Entsprechende Maßnahmen zur gezielten Bekämpfung der Vergiftung sollte nur ein Arzt oder ein Rettungssanitäter durchführen. Bei einer ärztlichen Behandlung wird als Gegenmittel Physostigmin eingesetzt, das der Wirkung des Alkaloids auf das zentrale Nervensystem entgegensteht. Erregungszustände und Krämpfe werden mit Beruhigungsmitteln behandelt. Bei Koma oder Atembeschwerden ist eine künstliche Beatmung und der Einsatz von Kreislaufmitteln angebracht. Auch Magenspülungen können durchgeführt werden.

Hinweis: Die dargestellten Notfallmaßnahmen stellen keine Handlungsempfehlungen für medizinische Fachkreise dar, da die vorliegende Publikation zum Einsatz im Biologieunterricht gedacht ist.

Copyright: Thomas Seilnacht